Der Hund muss doch schnüffeln - Warum nicht jede Schnüffelstelle gut für jeden Hund ist
- Die Menschen-Trainerin für Hunde

- 3 days ago
- 3 min read
und warum Regulation wichtiger ist als „alles kennenlernen"

Wer einen Junghund großzieht, hört es ständig: „Lass ihn doch überall schnüffeln! Er muss das alles kennenlernen!“
Der Gedanke dahinter ist gut gemeint. Doch bei bestimmten Hunden – vor allem Wachhund- oder Jagdhund-Mixen – kann genau dieses „überall schnüffeln lassen“ mehr schaden als helfen. Besonders dann, wenn es um stark frequentierte Hundestellen geht, an denen viele Artgenossen markieren oder vorbeiziehen.
In diesem Artikel möchte ich erklären, warum das so ist, was im Hundekopf passiert und weshalb gut gemeint nicht immer gut gemacht ist.
Schnüffeln – wichtig, aber nicht grenzenlos
Natürlich ist Schnüffeln eine Grundbeschäftigung eines Hundes.
Es:
entspannt
versorgt mit Informationen
baut Stress ab
ist Teil der Kommunikation
Aber das gilt vor allem für ruhiges, geordnetes, selbstbestimmtes Schnüffeln. Nicht für Reizbereiche, an denen dutzende Hunde ihre Spuren hinterlassen haben.
Denn dort passiert etwas ganz anderes: Ein enormer Input an Gerüchen trifft auf einen noch unerfahrenen Hund mit genetisch hoher Reaktivität.
Was macht starke Geruchsbelastung mit einem Wachhund-/Jagdhund-Mix?
Ein Hund mit Wachhund-Anteilen ist von Natur aus aufmerksam, tätigkeitsbereit und schnell in Alarmstimmung. Ein Hund mit Jagdhund-Anteilen ist stark geruchsorientiert, spurensicher und ebenso schnell „an“.
Trifft dieser Hundetyp auf Stellen, wo viele Hunde markieren, dann liest er nicht nur „da war ein Hund“.
Er liest:
Stresshormone
Sexualbotenstoffe
Reviergrenzen
Dominanzsignale
fremde Hundegruppen
mögliche Rivalen
Beutespuren
Das ist massiv stimulierend. Und je jünger der Hund, desto weniger kann er diese Reizflut sortieren.
Das Ergebnis ist oft:
Aufregung
fiebriges Interesse
Leinenanspannung
Such-Übermodus
Schwierigkeiten, sich wieder abzuwenden
Also keine echte Bedürfnisbefriedigung – sondern Übererregung.
Übererregung ist nicht harmlos
Viele Menschen denken: „Der muss sich austoben. Lass ihn halt machen.“
Aber Übererregung ist im Hundehirn ähnlich wie bei uns Menschen: Je höher das Erregungsniveau, desto schlechter werden Entscheidungen, Impulskontrolle und Stressverarbeitung.
Wiederholt ein Hund diese Erregung in bestimmten Bereichen, lernt er:
„Hier passiert immer was!“
„Ich muss aufmerksam bleiben!“
„Das ist mein Bereich, den will ich kontrollieren!“
So entsteht ungewollt genau das Verhalten, das später oft Probleme macht: Territorialität, Leinenpöbeln, Unsicherheit, hohe Erwartungsspannung.
„Aber er muss doch alles kennenlernen!“ – Stimmt nicht.
Ein Junghund muss nicht alles, überall, sofort kennenlernen. Junghunde lernen besser:
in kleinen Häppchen
in Ruhe
in regulierter Umgebung
unter Anleitung
mit Pausen
Ein überreizter Hund lernt nicht. Er reagiert nur.
Wenn wir unseren jungen Hund immer wieder in Situationen bringen, die ihn überfordern, dann lernt er nicht, damit zurechtzukommen – er lernt nur, dass die Welt hektisch, unübersichtlich und anstrengend ist.
Bedürfnisbefriedigung ist nicht Reizüberflutung
Ja, Hunde brauchen:
Schnüffeln
Erkundung
Informationen
Umweltkontakt
Aber: Schnüffeln ist nur dann Bedürfnisbefriedigung, wenn der Hund dabei entspannt bleibt.
Ist er stattdessen:
überdreht
fiebrig
kaum ansprechbar
hektisch
hoch erregt
… dann ist es kein Bedürfnis mehr, sondern eine Überforderung.
Dein Hund bestimmt seine Bedürfnisse nicht allein durch das, was er in dem Moment will – sondern durch das, was ihm langfristig guttut.
Mein Rat im Coaching
„Ich nehme meinen Junghund aus überreizenden Bereichen raus.“
„Ich lasse ihn schnüffeln, aber dosiert.“
„Ich fördere ruhiges Wahrnehmen, nicht hektisches Abarbeiten.“
„Ich unterstütze ihn darin, in Balance zu bleiben.“
Das ist verantwortungsvolle Führung – und besonders für Hunde mit Wach- und Jagdhintergrund enorm wichtig. Du vermeidest damit ungewolltes Territorialverhalten, förderst eine stabile Reizverarbeitung und hilfst deinem Hund, wirklich klarzukommen, statt nur getrieben zu sein.
Fazit
Schnüffeln ja – aber nicht überall und nicht um jeden Preis.
Es ist unsere Aufgabe, junge Hunde durch die Welt zu führen, nicht sie hineinzuwerfen. Gerade Hunde mit genetisch hoher Reaktivität profitieren enorm davon, wenn wir Sinnesreize dosieren, statt sie ungebremst auf sie wirken zu lassen.
Nicht alles, was ein Hund tun möchte, ist automatisch gut für ihn. Aber alles, was wir bewusst regulieren, hilft ihm, ein entspannter, selbstsicherer und gut steuerbarer Begleiter zu werden.




Comments